Das Internet, die Yoga-Magazine sind voll von perfekt inszenierten Fotos schöner Menschen mit makellosen Körpern, eingebettet in komplizierten Asanas. Und ich sitze da, gefühlsmäßig wie so ein 13-jähriges Mädchen mit Zahnspange im Mund und dicker Hornbrille im Gesicht, danach sehnend, mich irgendwann einmal nur annähernd so verbiegen zu können, der Blick dabei stets entspannt und würdevoll, der Luxus-Körper (das viele Üben wird sich ja gelohnt haben) eingehüllt in stylischen Yoga-Klamotten.
Primaballerina
Die Wahrheit ist, meine Hüften besitzen die Flexibilität eines viktorianischen Korsetts. Wie sollte es auch anders sein? Die meiste Zeit meines Lebens habe ich liegend oder sitzend verbracht. Meine Muskeln und Sehnen sind eingerostet. Und nun von meinem Körper zu erwarten, in kürzester Zeit mit Hatha Yoga die Hüften einer Primaballerina zu bekommen, ist einfach unrealistisch und unfair meinem eigenen Körper gegenüber.
Oft scheiterte ich während der Yoga-Stunden beim Versuch, gewisse Asanas zu meistern. Ich blickte dann neidvoll zu meinen NachbarInnen rüber, bewunderte ihre Anmut, Kraft und Ausdauer. Ich erinnere mich gut an eine Yin Yoga-Einheit, wo wir für einige Minuten im Frosch (Mandukasana) verweilen mussten. Während dabei die Körperlandschaft der meisten Yogis im Raum eher einer Flachebene glich, ragte mein Hintern wie der Mount Everest in die Höhe. Meine Hüften wollten einfach nicht, wie ich wollte.
Die Wahrheit ist: Du bist perfekt, so wie du bist
Sei du selbst. Alle anderen sind schon vergeben. (Oscar Wild)
Ein guter Weg, sich unglücklich zu machen, ist sich mit anderen zu vergleichen. Bleiben wir deshalb bei uns und ziehen unsere eigenen Startbedingungen als Erfolgsmaßstab heran. So würden wir all die Fortschritte – so klein sie auch scheinen – würdigen und uns an ihnen erfreuen. Und darüber hinaus ist jeder auf seine Art und Weise einzigartig und mit besonderen Fähigkeiten und Talenten ausgestattet. Wichtig ist, dass man diese nutzt, denn „die Wälder wären still, wenn nur die begabtesten Vögel sängen.“ (Henry van Dyke)
Wenn ich also heute Yoga-Stunden besuche, versuche ich ganz bei mir zu bleiben. Ich achte auf die Instruktionen der Yoga-LehrerInnen und konzentriere mich auf die Signale, die mir mein Körper währenddessen sendet: Wie fühlt sich diese Position für mich an? Ist mein Rücken gerade, sind meine Hüften, Knie, mein Becken richtig ausgerichtet? Und ich bin dankbar dafür, dass mein Körper funktioniert. Die Fortschritte und alles andere kommen sowieso von alleine.
Selbsterkenntnis und Selbstverwirklichung
Es kommt darauf an, den Körper mit der Seele und die Seele durch den Körper zu heilen. (Oscar Wilde)
Und letzten Endes hat Yoga nichts damit zu tun, sich möglichst gut verrenken zu können, um bestenfalls in einer Schuhschachtel Platz zu finden. Es geht vielmehr darum, innere Strukturen zu entwickeln, diese zu festigen und zu erkennen, wer man ist. So kann ich in dunklen Momenten, wo mir alles zu entgleisen scheint, immer noch einen sicheren und festen Anker in mir spüren:
Egal was auch passieren mag, ich habe immer noch mich!