Das Leben kann ganz schön anstrengend sein
Die Sinne sind an manchen Tagen so berauscht, dass wir uns am liebsten dreiteilen möchten.
Aber: Kaum jemand hat eine derart hohe geistige Entwicklungsstufe erreicht, um es dem Heiligen mit den zwei (oder drei) Körpern gleichzutun. Und Siddhi ist nicht gerade eine Fähigkeit, die man im Laufe eines Wifi-Seminars am Wochenende erlernt. So bleibt uns die Unterstützung möglicher Doppelgänger zur Bewältigung des täglichen Wahnsinns verwehrt.
Die gute Nachricht ist: Während sich Körper und Geist noch gegen eine Teilung sträuben, lässt sich der Atem sehr wohl dreiteilen. Gelingt es, sich die verschiedenen Atemräume bewusst zu machen, findet man zurück in den natürlichen Rhythmus der Vollatmung – und diese erlaubt dem Körper, jegliche Hektik mit Leichtigkeit zu bewältigen. Erst wenn sich der Atem beruhigt, entspannt sich der Geist. Die Verlangsamung des Atems hilft uns Zeit, zu sparen – für den Genuss wertvoller Momente.
Atemlenken
Haben wir die Kontrolle über den Atem und lenken diesen in die richtigen Bahnen, steigern wir unsere Vitalität und Immunabwehr. Körper und Geist werden harmonisiert und bereiten den Weg zur Erlangung innerer Ruhe. Natürlich darf man nicht davon ausgehen, dass die Wirkung von einem Tag auf den anderen eintritt, aber Übung macht den Atem – und Entspannungsmeister! Bereits mit dem Praktizieren der dreiteiligen yogischen Atmung vermindern sich Nervosität, Stress, Verspannungen und Schmerzen, die Merkmahle einer zu flachen und raschen Atmung.
Vorbereitung zu den Atemübungen
Suche einen Ort auf, der gut durchlüftet ist und an dem du dich geborgen fühlst. Mache es dir gemütlich: Angenehmes Licht, eventuell Kerzenlicht, erleichtert das Zurückziehen der Sinne. Die Raumtemperatur sollte weder zu warm noch zu kalt sein. Lege eine Decke bereit.
Du entspannst leichter mit Musikbegleitung? Schön!
Musik schafft eine dichtere Raumatmosphäre und wirkt stark auf das Unterbewusstsein und die Gefühlszentren. Das Abschalten fällt leichter, Bilderleben und Emotionen fließen dahin. Musik vereint und öffnet die Sinne. Die Konzentration auf den Atem alleine ist anfangs vielleicht noch schwierig – eine Vertonung der Atemmeditation kann Abhilfe schaffen.
Die Gedanken sind frei!
Leichte, fließende Musik (z.B. „Breathless“ von Nick Cave & the Bad Seeds) erinnert dich daran, was dich wirklich außer Atem bringen darf: Verliebtheit. Bei der Verwendung von Vokalmusik ist darauf zu achten, dass die Aufmerksamkeit nicht an zu prägnanten Textzeilen hängenbleibt. Deine Musik sollte einen zumindest oberflächlich-positiven Grundton haben und dir viel Freiheit für die von Innen kommende Entwicklung lassen. Musik minimiert die eigene Erwartungshaltung und schafft Vertrauen.
Anti-Drama
Wer sich rhythmisch-emotionell akzentuierter Musik hingeben möchte, versucht es z.B. mit OM oder indischer Instrumental- und Trommelmusik. Diese Art von Musik bewirkt, dass du dich schneller auf Gefühlsprozesse einlässt, Blockaden überwindest und die Kontrolle verlierst (im positiven Sinn): So kann es gelingen, versteckte und verdrängte Emotionen in Fluss zu bringen. Je größer die Gefühle werden, desto lauter darf die Musik sein.
Doch lieber stille Nacht?
In der Stille liegt die Aufmerksamkeit ausschließlich auf dem Atem, die Körperempfindungen treten in den Hintergrund. Musik beeinflusst, steuert und lenkt den Atemprozess. In der Ruhe liegt die Kraft des Atems. Ohne Ablenkung kannst du dich ganz auf den Atem einlassen.
Ob nun mit oder ohne musikalische Begleitung – du entscheidest, höre auf dich, auf deinen Atem.
Um den frischen Sauerstoff gut in die richtigen Bahnen zu lenken, reinige vor dem Üben die Atemwege (durch schneutzen oder inhalieren). Man atmet grundsätzlich durch die Nase ein, weil die Luft in der Nase gereinigt, befeuchtet und erwärmt wird.
!!! Bist du verkühlt oder leidest an einer Verlegung der Atemwege, übe nur mental !!!
Mehrfaches, herzhaftes Gähnen entschlackt den Organismus, befeuchtet die Schleimhäute und hilft, psychische Spannungen abzubauen: Ein optimaler Einstieg in die Arbeit am natürlichen Atem.
Dann geht es auch schon los auf die Matte oder eine alternative Unterlage, die ruhiges Liegen ermöglicht. Die Atemräume wollen erforscht, erspürt und befüllt werden.
1. Bauchatmung
Den Rücken hast du auf der Matte abgelegt, die Füße fallen auseinander, deine Arme liegen entlang des Körpers. Finde eine angenehme Position für deinen Kopf. Das Kinn ist leicht zur Brust geneigt und der Nacken lang. Lege deine Handflächen sanft auf dem Bauch ab und atme durch die Nase bewusst in den Bauchraum ein. Dort dehnt sich der Atem in alle Dimensionen aus und fördert die Entspannung. Dann den Atem aus dem Bauch über die Nase ausströmen lassen und den Bauchnabel gleichzeitig nach innen und oben ziehen.
2. Brustatmung
Lege nun die Handflächen am Brustkorb ab und atme tief durch die Nase ein: Du spürst, wie sich der Brustkorb weitet. In Stresssituationen, bei Nervosität und Anspannung wird unser Atem schneller und flacher und gelangt über diesen Atembereich nicht hinaus. Um dem entgegenzuwirken, ist eine tiefe und langsame Bauchatmung sehr wichtig. Die Ausatmung erfolgt aus der Brust über die Nase, der Brustkorb senkt sich.
3. Schlüsselbeinatmung
Lege deine Hände auf die Schlüsselbeine und atme durch die Nase bewusst in den Schulterraum hinein, Dadurch werden die Lungenspitzen belüftet. Beim Einatmen hebt sich der obere Teil des Brustkorbes und die Schlüsselbeine. Atme durch den Schulterraum wieder aus und senke die Schlüsselbeine ab.
Du beobachtest, wie der Atem über die Nase in den jeweiligen Körperbereich hinein und wieder herausströmt. Mit etwas Übung wirst du schon bald mit einem einzigen Atemzug zu je einem Drittel in den Bauch, in die Brust und Schulter ein- und ausatmen. Alle drei Atemvariationen vereinigen sich in einer fließenden Welle, du spürst alle drei Räume gleichzeitig: Du erfährst die gesunde und natürliche Atmung.
Die dreiteilige yogische Atmung kann im Sitzen, Liegen oder Stehen geübt werden.
Das nächste Mal, wenn du im Stau stehst, die Schlange vor der Kassa statt kürzer immer länger wird oder du das Gefühl hast, nicht mit der U-Bahn zu fahren, sondern in der Geisterbahn zu sitzen:
1. Lächeln (falls das nicht gut ankommt, auch innerlich, schadet nie)
2. Durchatmen!