Bin ich ein moderner, freigeistiger Mensch?
Forrest Yoga richtet sich laut Website des BYoga Studios genau an diese Sorte Mensch. „Forrest Yoga zu praktizieren schafft Flexibilität, Intelligenz, Stärke, während es dir hilft, die Beziehung mit deinem authentischen Selbst zu vertiefen.“ … Ich hatte ja eher Forrest Gump im Kopf.
Auf dem Weg ins Studio beschleicht mich das Gefühl, dass montagabends eventuell viel los sein könnte. Tatsächlich ist der Übungsraum mit Stuck aus den 20er Jahren zwar schön, aber auch ziemlich voll und von der Stunde davor ordentlich aufgeheizt. An sich soll es beim Forrest Yoga ca. 25 Grad Raumtemperatur haben. Naja, durch die feuchte Luft sind es eher gefühlte 30 Grad. Bikram lässt grüßen…
Der Anfang
Im Kuhgesicht nehmen wir einige Atemzüge in Ujjayi. Olàlà, die Beine unaufgewärmt übereinander zu brezeln – da muss ich mich erst mal langsam heran tasten. Es geht weiter mit Kapalabhati und der Wechselatmung. Mehrere Atemübungen hintereinander habe ich selten in einer Yogastunde gemacht. Dafür sind die Vorübungen zur Mobilisation – mit Schwerpunkt auf der Mitte – fast ident mit meinem Kurs im Poweryoga Vienna. Die Stunde beginnt also kraftvoll – und wird es auch bleiben. Hot Power Yoga quasi.
Alexandra teilt für die nächste Übung die Gruppe aus Platzgründen in zwei Hälften: die eine macht den Delfin (mit den Beinen an der Wand), die andere eine weitere Atemübung. Dabei in einer stehenden Seitengrätsche 1x kräftig ausatmen und dann die Bauchdecke schnell heben und senken, bis man wieder Luft holen muss. Neu und interessant für mich.
Die Yogalehrerin sagt gefühlte 97 Mal „Aktive Füße“
Wichtig sind im Forrest Yoga „aktive“ Hände und Füße. Yogalehrerin Alexandra sagt auch gefühlte 97 Mal: „…aktive Füße!“ Dabei hebt man die Zehen vom Boden ab und spreizt sie auseinander – und die Füßchen sollen dann die ganze Stunde so bleiben. Nicht gerade einfach bei den durchgeführten Standübungen und den Raumtemperaturen. Wir halten alle Positionen relativ lange. Ziel der Sache: an die eigenen Grenzen gehen und wahrnehmen, was dort so los ist. Also ich schwitze mal.
Alexandra macht genaue Korrekturen, besonders im Nackenbereich. Sie zeigt vieles auch mit Blöcken und Gurt vor – das ist wirklich hilfreich. Spannend: eine Variante der Kobra mit einer Rolle unter dem Bauch! Zum Glück habe ich nicht viel gegessen. Dann eine interessante Version des 2. Kriegers: dabei die Hände zwischen den Schulterblättern vertikal fassen. Mir gibt das mehr Stabilität. Noch was Neues: in der Heuschrecke die Beinen auseinander und wieder zusammen bringen. Genial für den unteren Rücken. Am nächsten Tag wird sich mein unterer Rücken (zwickt und zwackt oft) fantastisch anfühlen, dafür meine Knie nicht (es war die Königstaube!).
Kurzes Cool-down mit Krokodil auf beide Seiten gefolgt vom Drehsitz mit Gurt, dann ca. 5 Minuten Savasana. Nach der schweißtreibenden Einheit wäre länger auch okay gewesen. Schon ist die Stunde vorbei. Kurzer Blick in den Spiegel: Aaaaah! Meine Haare sind ganz lockig – das geht gar nicht.
Persönliches Fazit
Im Buch „Schlampenyoga“ von Milena Moser kommt folgende wunderbare Regel vor: „Beim Yoga sollten prinzipiell keine Rachefantasien und Mordgelüste aufkommen“. Naja, gelassen sollte man bei feuchtem Outfit und Monsun-Atmosphäre tatsächlich bleiben; und Berührungsängste sind auch fehl am Platz. Ich vermute, die Teilnehmerdichte hängt damit zusammen, dass Studioeigentümerin Alexandra die Stunde gehalten hat, und dass es sonst kein Forrest Yoga Studio in Wien gibt. Die Einzelstunde kostet auf jeden Fall 15 Euro. Ein kräftiger, fordernder Yogastil mit lang gehaltenen Asanas, bei denen man an die Grenzen geht. Um sie zu verschieben. Mit aktiven Händen und Füßen – und Gelassenheit!